Aufgezeichnete Webinare als Einschlafhilfe

Webinare und Zoom-Meetings erleben während der Pandemie ihre Hochblüte. Rasch haben wir uns daran gewöhnt, dass sie unser berufliches Leben bestimmen. Bleibend sind aber offenbar auch die Fehler, die dabei gemacht werden.

Da ist schon wieder einer! Wieder habe ich einen Link zur Aufzeichnung eines Webinars in meinem E-Mail-Fach, das ich verpasst habe. Diesmal geht es ums Netzwerken für Texterinnen. Der Inhalt ist an dieser Stelle allerdings unerheblich. Es ist immer irgendein Webinar oder ein aufgezeichnetes Zoom-Meeting, in dem kluge Frauen anderen interessierten Frauen ihr Wissen weitergeben. Ich freue mich über den Service, die Links im Anschluss frei Haus geliefert zu bekommen. Weniger erfreulich ist für die Betrachterin meist das, was sich letztlich hinter dem Link verbirgt.

Hinter einer Newsletter-Serie und einem abschließenden Webinar steckt sehr viel Zeitaufwand. Es ist eine unbezahlte Marketingmaßnahme und nicht etwa rein altruistisches Handeln. Dennoch bleibt es für sich ohne finanzielle Gegenleistung. Rein in der Hoffnung, Aufmerksamkeit zu generieren, sichtbarer zu werden und dann in dieser Kette am Ende neue zahlende Kund:innen zu gewinnen.

Auffallend ist, dass die anfänglichen Newsletter teils sehr locker geschrieben und mit jeweils zum Tätigkeitsfeld passenden SEO-Begriffen versehen sind. Hier wird sich oft sehr viel Mühe gegeben, das Gegenüber vom Inhalt und damit vom eigenen Know-how schon in Ansätzen zu überzeugen. Es sind immer Texte, die so leicht daherkommen, dass sie augenscheinlich nicht einfach in zwei Minuten heruntergeschrieben sind.

Genau dieser Aufwand, diese Mühe, fehlt dann jedoch im mündlichen Ausdruck. Das ist dann jener Punkt, an dem die zuvor so mühsam herbeigeholte Aufmerksamkeit Interessierter verloren geht. Speziell fünf Fehler sind es, die sich bei all den mir bekannten aufgezeichneten Webinaren wiederholen bzw. in der einen oder anderen Weise stärker ausgeprägt auftauchen:

  • Fehlende Moderation
  • Fehlender roter Faden
  • Fehlende Handlungsanleitung
  • Fehlende Modulation
  • Undeutliche Sprechweise

Die Webinare, über die ich berichten kann, wirken meist wie auf Stichwortbasis geplant, sind aber nicht moderiert. Die Gastgeberin ist betreffend ihres Themas vorbereitet und weiß, welche ihrer Inhalte sie kostenlos an ihr Publikum weitergeben will. Sie scheint aber häufig nicht zu wissen, wie sie die Zuschauer:innen dazu bewegen kann, Fragen zu stellen. Auf Nachfrage bleibt sie dann selbst gefühlt minutenlang still. Alles schweigt. Das mag während der Live-Session nicht stören oder sich nur kurz unangenehm anfühlen. Beim zeitversetzten Ansehen jedoch ist es lähmend. Die Zuseherinnen gehen schlicht verloren.

Verwirrung der Teilnehmer:innen

Das gleiche gilt für den fehlenden roten Faden. Es ist nichts falsch daran, zu Beginn des Webinars klarzustellen, dass am Ende Fragen gestellt werden können. Manche Gastgeberin stellt sich aber selbst eine Falle. Sie weicht von dem sich selbst vorgegebenen Plan ab und wirft ihrerseits Fragen auf, die sie an ein ganz anderes Ende ihres Themenbereiches lenkt. Von diesem kann sie dann nur schwer wieder zurückkehren, ohne dass es für die Zuseher:innen verwirrend ist.

Danke für die Aufmerksamkeit

Der Call to Action ist ein Klassiker im Marketing. Das gilt für den Newsletter ebenso wie für die eigene Website. Aber es gilt eben auch für den Auftritt in einem Webinar. Die Online-Veranstaltungen, die ich kenne, schließen jedoch in etwa mit einem »Danke für die Aufmerksamkeit. Ich hoffe, ihr habt etwas davon mitgenommen.« Das ist es, was mir als Zuseher:in bleibt: Ich werde schlicht und ergreifend allein gelassen. Nicht wissend, wie es nun weitergehen kann.

Das Webinar als Einschlafhilfe

»Yadda, Yadda, Yadda« Genau so klingt es manchmal, wenn man sich ein aufgezeichnetes Webinar reinzieht. Es gibt keine Abwechslung beim Sprechen. Es ist immer die gleiche Tonlage und damit klingt auch das Gesagte immer gleich. Wenn man nicht genau achtgibt, überhört man auch schon einmal Pausen oder ob es sich um einen Aussage- oder Fragesatz handelt. Das bedeutet nicht, dass es ein Singsang sein sollte. Es heißt nur, dass man das Publikum mit ein wenig Modulation bei der Stange halten sollte. Andernfalls wird ein Webinar zur Einschlafhilfe.

Was sagst du?

Ein fehlendes Bild ist bei Webinaren meist nicht schlimm. Man kann sich mit Erklärungen helfen oder vorschlagen, essentielle Unterlagen anschließend zuzusenden. Wichtig ist in jedem Fall, dass ein Webinar kein Stummfilm, sondern ein Tonfilm ist. Die Teilnehmer:innen sollen die Gastgeberin hören können. Das Hören ist meist auch nicht das Problem, aber das verstehen. Die wenigsten Veranstalterinnen von Webinaren berücksichtigen die Situation ihres Gegenübers. Sie sind derartig auf die Inhalte konzentriert und darauf, dass sie die Technik nur ja nicht verlässt, dass sie sich nicht darum kümmern, wie sie rezipiert werden. Sie sprechen daher auch nicht gerichtet, sondern nuscheln in sich hinein. Ganz so, als hätten sie gar nichts zu sagen.

Das hier ist keine Anklage. Ganz im Gegenteil. Vielmehr gilt es, einige der häufigsten Fehler aufzuzeigen, damit die vielen klugen Frauen* künftig ihre vielfach tollen Inhalte erfolgreicher verbreiten können. Niemand möchte schließlich anderen die Zeit stehlen. Was sind nun aber die Lösungen für die oben beschriebenen Fehler?

Fehlende Moderation: Als Gastgeberin sollte ich mir bewusst sein, dass ich hier eine Online-Zusammenkunft leite. Ich habe das Heft in der Hand und muss auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Es kann helfen, sich im Vorfeld mit Moderation und unterschiedlichen Lehrmethoden auseinanderzusetzen.

Fehlender roter Faden: Erst 1, dann 2, dann 3. Auch in einem einstündigen Webinar können die Inhalte modulartig aufbauen. Bei einem Webinar über Weißweinproduktion kann man beispielsweise bei den Reben und deren Behandlung beginnen, über die Lese erzählen und anschließend, wie die Trauben zu Wein gemacht werden. Zwischendurch über Bier zu sprechen, um dann wieder zu Grünem Veltliner, Welschriesling oder Donauriesling zurückzukehren, würde unnötig verwirren. Daher ist es in jedem Fall angeraten, das Webinar vor dem eigentlichen Einsatz trocken durchzuspielen.

Fehlende Handlungsanleitung: Ich muss nicht mit dem Holzhammer agieren und meinem Publikum sagen, dass es jetzt meine professionelle Leistung erwerben kann. Ich kann auch auf ein Angebot hinweisen oder den Link zu einer Landingpage speziell für die Teilnehmer:innen verweisen. Ich kann jene, die ihn noch nicht abonniert haben, dazu aufrufen, den Newsletter zu bestellen, in dem weitere Infos zum Thema veröffentlicht werden. Was auch immer im Angebot ist, kann am Ende auch präsentiert werden. Es wäre falsch, die Gelegenheit zur Handlungsanleitung ungenutzt verstreichen zu lassen.

Fehlende Modulation und undeutliche Aussprache: Sieh dir die Aufzeichnung deines Webinars an oder eines, dessen Link du zugesandt bekommen hast. Wahlweise kannst du dir auch Erklär-Videos auf Youtube anschauen. Du wirst sehen, dass sie sprachlich sehr gleichförmig daherkommen und manchmal schwer zu verstehen sind. Das muss nicht sein. Wie das mit dem Sprechen ist, habe ich allerdings schon mehrfach ausgeführt. Daher findest du entsprechende Lösungen für dieses Problem etwa hier, hier oder hier.

Jetzt bist du dran! Welche Lösungen hast du für die angeführten Probleme gefunden oder welche Fehler habe ich vergessen, zu erwähnen? Schreibe es in die Kommentare!

*Die Webinare, deren Aufzeichnungen ich sehe, werden ausschließlich von Frauen geleitet. Jene von Männern erreichten mich bislang nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert