Es passiert immer noch: Medien machen Frauen sukzessive unsichtbar. Als gäbe es eine allgemeine Erwartungshaltung uns allen die Welt ausschließlich aus Sicht der Männer zu erklären. Als wollten wir einzig wissen, was Männer beschäftigt. Kein Wunder, dass ein Raunen durchs Land geht, wenn – wie jüngst – Themen wie Frauengesundheit, Menopause oder Monatsblutung aufpoppen.
Am Ende sind wir bei dem hier wiederkehrenden Thema: Frauen und Sport. Im Verlauf dieser Woche hatte ich viel mit an Sport interessierten Frauen zu tun. Bei einer Buchpräsentation zu »100 Jahre Frauenfußball« etwa, mit überwiegend weiblichem Publikum, ging es unter anderem darum, dass sich Frauen während eines Bewerbes gerne über einzelne Sportlerinnen informieren würden. Allein: Es gibt solche Infos nicht. Es fehlt auch an Stellen, die zeitnah über Ergebnisse von Bewerben mit Sportlerinnen informieren. Frauen werden schlicht nicht mitgedacht.
Sensationen bei Frauen gelten als weniger relevant
Über einzelne Sportler hingegen wird mitunter so oft berichtet, dass es verwundert, dass Journalisten überhaupt noch etwas finden, das sich über sie schreiben lässt. Auf der anderen Seite gibt es, um ein Beispiel zu nennen, den diesjährigen Frauen-Fußballmeister. Am langen Pfingstwochenende stand fest, dass die Wölfinnen (- genau wie in Deutschland Serienmeister Wolfsburg hat kurioserweise auch deren Gegenüber aus St. Pölten diesen Beinamen -) vorzeitig und zum 9. Mal in Folge das Double geholt hatten. Die Erwartungshaltung war hoch, dass ein liberales und aufgeschlossenes Blatt wie Der Standard dieser Sensation in der nächsten Printausgabe Rechnung tragen würde. Stattdessen fand sich auf der Titelseite das hier:
Es ist übrigens genau das Blatt, das in seiner heutigen Wochenend-Printausgabe in einem Europa-Schwerpunkt völlig ironiefrei mit einer anschaulichen Grafik verdeutlicht, dass Europa mehrheitlich weiblich ist. Eine Zeitung, die – von der eigenen Redaktion unbemerkt oder beabsichtigt – Frauenthemen wie auch Expertinnen offenkundig schon länger links liegen lässt. Ein Eintreten für die Gleichberechtigung der Geschlechter, wie sie die Blattlinie vermuten lässt, ist dabei nicht ersichtlich.
Männer dominieren das Programm beim ORF
Aber das rosa Blatt ist nicht das einzige Massenmedium, dass sein Publikum mit Männern, deren Themen, deren Ansichten und deren Erfolgen erreichen will. Der ORF etwa bestritt sein heutiges Programm von ORFIII mit mehreren Folgen der Uralt-Serie »Der alte Richter«, in der ein alter Mann im Mittelpunkt steht, nur unterbrochen von Dokumentationen über die beiden Traditionsklubs Austria und Rapid – und damit über Männer-Fußball. Auf ORFII suchte die Serie »Der Bergdoktor« ein Publikum. ORFI wollte mit einem Starkoch, einer US-Serie rund um einen männlichen Protagonisten und mehreren Ausgaben eines Quiz punkten, das – no na – ein Mann moderierte.
Jetzt könnte eins einwenden: »Aber! ORF Sport Plus hatte immerhin sein Frauenfußball-Magazin im Programm! Da sind doch Frauen!« Schon. Nur: Moderiert wird die Sendung – zu einer nicht unbedingt besten Sendezeit – von einem Mann. Denn während Private TV-Sender schon vor zwei Jahrzehnten so weit waren, Frauen Fußball kommentieren und Fußballsendungen von Frauen moderieren zu lassen, traut der ORF seinen Mitarbeiterinnen derartiges erkennbar kaum zu. Auch wenn Frauen eine gleich hohe Haushaltsabgabe zu zahlen haben wie Männer, um so etwas wie Gleichstellung zu simulieren, irgendwo muss es dann wohl doch einen Unterschied geben. Für den ORF – mit dem einstigen Claim »Wie Wir« – bedeutet das eben, Frauen immer unsichtbarer zu machen.
Jammern über bedrohte Existenz, aber Frauen aussparen
Am Ende geht es einfach nicht zusammen: Als eines der zuletzt noch verbliebenen Qualitätsmedien sucht Der Standard sein Heil in Männerthemen und im tagelangen Herunterschreiben einer Frau in Boulevard-Manier. Ganz so, als würden Frauen als Zielgruppe von vornherein ausscheiden. Oder als müssten sich Frauen einfach damit abfinden, dass sie und ihre Ansichten, ihre Meinungen oder ihre Expertise im Patriarchat keine Relevanz haben. Exemplarisch gilt das natürlich auch für viele andere heimische Medien. Denn gleichzeitig jammern sie allesamt wiederholt darüber, dass sie sich aufgrund veränderter Gegebenheiten am Medienmarkt in ihrer Existenz bedroht fühlen. Wie auch nicht: Der Werbemarkt hat sich längst verschoben, Print ist tot und ein erfolgreiches Bezahlsystem für Online-Portale wurde neben der lange praktizierten Gratiskultur des Internets einfach nie gefunden. Ganz zu schweigen von einer nicht existierenden österreichischen Medienpolitik.
Mehr Frauen – nicht nur am Frauentag!
Trotz aller zu berücksichtigenden Überlastung aufgrund von immer weniger Beschäftigten im Journalismus: Wie wäre es, nicht nur zum Mitbewerb zu schielen, »was beim Publikum gerade zieht«, welche Sau gerade durchs Dorf getrieben wird, sondern selbst initiativ zu werden? Das würde konkret bedeuten, nicht nur am 8. März und rund um den zweiten Sonntag im Mai einen Blick auf Frauen zu werfen!
Pride Month als geringe Hoffnung auf Sichtbarkeit von Frauen
Wer jetzt meint, dass während des Pride Month auch Frauen ins Rampenlicht rücken werden, die muss ich enttäuschen: Sichtbar gemacht werden dann nicht Frauen, sondern ihre in einer heteronormativen Gesellschaft eine von dieser Norm abweichenden Sexualität. Der Mehrwert für Leserinnen, Hörerinnen oder Zuschauerinnen dürfte sich dabei in Grenzen halten. Treffen wir einander aber gerne wieder in einem Monat und blicken wir dann zurück, um zu sehen, ob seriöse Medien doch auch langsam wieder über und für Frauen berichten!