Bücher, Magazine, Zeitungen, Briefe – sie alle sind dazu gedacht, gelesen zu werden. Es gibt aber Texte, die darauf abzielen, gehört zu werden. Dazu zählen etwa Reden, aber auch Moderationen im Radio oder in Podcasts. Einen Text zu schreiben, der fürs Hören und nicht für Lesen gedacht ist, klingt womöglich ganz leicht. Es wurden dazu aber schon Handbücher geschrieben und Akademien bieten eigene Kurse zu „Schreiben für Hören“ an. Die legendäre Dolores Bauer etwa erklärte über ihren Start beim Radio, sie habe sechs Monate gebraucht, um zu lernen, fürs Hören zu schreiben.
Quelle: Dolores Bauer in der Österreichischen Mediathek
Was aber sollte man denn nun bedenken, wenn man einen Text fürs Hören verfasst?
Im Folgenden liste ich 5 Regeln auf, die jeder beherzigen sollte, der einen Text schreibt, den er anschließend sprechen möchte. Auch wenn es vermutlich nicht von Beginn an klappt, ist es zumindest eine erste Basis:
Beim Schreiben fürs Hören gilt zuallererst die KISS-Formel, die man etwa zu Beginn des Publizistik-Studiums lernt: „Keep it short and simple“ (Nein, es heißt nicht: <<Keep it simple, stupid!>> wie von manchen behauptet!) – Um Sätze so zu sprechen, als wären sie einem eben erst eingefallen, müssen sie auch danach klingen. Niemand von uns spricht, wie Thomas Bernhard geschrieben hat. Niemand schreibt Sätze, die über mehrere Seiten gehen. Auch wenn wir lange reden: Unsere Sätze sind kurz. Daher gilt für Aussagesätze die Faustregel: Subjekt – Verb – Objekt
Das erschließt sich schon aus Punkt 1, sei aber noch einmal eigens erwähnt: Texte, die fürs Hören gedacht sind, gilt es, sich selbst laut vorzusprechen. Das dient zum einen der Betonung und dem Setzen von Pausen, aber zum anderen auch dem Verständnis. Beim Hören erkennt man falsche Begriffe oder falsche Satzstellungen eher. Man erkennt aber auch Geschwurbel, dem ZuhörerInnen vermutlich nicht mehr folgen können, bis man endlich das Satzende erreicht hat. Hält man sich aber ohnehin an Regel 1, stellt man sich selbst gar nicht erst die Falle von Schachtelsätzen.
„Heute fand in Reichenau die Präsentation des neuen Romans von Martha Huber statt.“ Nein! Eine solche Satzkonstruktion ist wertlos. Um das Ohr von ZuhörerInnen zu erreichen und damit deren Aufmerksamkeit zu bekommen, sollte man aktiv texten. Als Hörerin möchte ich wissen, wer etwas gemacht hat, nicht ausschließlich was & wo. Eine Lösung wäre daher: „Martha Huber hat heute in Reichenau ihren neuen Roman präsentiert.“ Hält man sich an Regel 1 und stellt gleich das Subjekt voran, lässt sich auch diese Hürde umschiffen.
„Der Biss des Hundes tötete den Mann.“ Ich denke, das ist klar. Laut ausgesprochen benötigt das Hirn einen Moment, um zu begreifen, was gemeint ist. Wir mögen aber auch keinen Nominalstil. Hauptwörter tragen keine Emotion. Das machen die Verben. Entsprechend gilt auch fürs Hören, wie für jedes andere professionelle Texten, sinnlich zu schreiben. Dazu zählen Wörter, die einen der Sinne benennen oder in sich tragen, wie: begreifen, riechen, schmecken und viele andere. Um beim Zuhören schneller wahrgenommen zu werden, bietet sich für das Beispiel als Alternative an: „Der Hund biss den Mann tot.“
„Pearl heißt das 2. Album von Janis Joplin. Es war 1971 ein Riesenerfolg, den die Sängerin selbst aber nicht mehr miterlebte. Sie war bereits 3 Monate zuvor verstorben. In einem Ranking der 125 besten Alben, die von Frauen stammen, erreicht Pearl Platz 8.“ Der Inhalt dieses Textes ist korrekt. Er eignet sich nur so nicht zum Hören. Wieder gilt es, sich einen Text laut vorzulesen. Sobald man zu Ende gelesen hat, sollte man überlegen, welche der Zahlen man auch behalten hat. Grundsätzlich gilt hier: Sparsam mit Zahlen umgehen. Wir erfassen sie schriftlich, beim Hören aber „versenden“ sie sich.
Soweit meine fünf Regeln zum „Schreiben fürs Hören“. Hilfreich, wenn auch kein Muss und daher keine Regel ist eine Formatierung: Wer einen Text schreibt, den andere hören sollen, achtet auf eine gut lesbare Schriftgröße von mindestens 12 Pixel und macht Absätze. Damit lassen sich auch Pausen oder neue Gedanken beim Sprechen leichter erkennen.