Wie komme ich zum Radio?

Wie komme ich zum Radio? Vermutlich jede, die beim Radio arbeitet, kennt diese Frage. Auch mir ist sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon oft gestellt worden. Meist schrieben Interessierte an die individuelle Mail-Adresse des Senders, die auf dessen Website angegeben ist, um diese Frage mit Fokus auf Redaktionsmitarbeit oder Moderation beantwortet zu bekommen. Damit potentieller Nachwuchs rasch eine Antwort erhält und nicht erst auf eine ausführliche Mail warten muss, zeige ich hier einige der Möglichkeiten auf.

Früher war es einfacher

Privatradio, wie es heute existiert, besteht in Österreich seit 1995 bzw. seit 1998. (Wer erinnert sich nicht an die Querelen bei der Einführung des Regionalradiogesetzes 1994 und des massiven Vetos eines SPÖ-Politikers gegen Medienvielfalt bzw. dessen Strebens für den unbedingten Erhalt des ORF-Monopols?) Das ist deshalb wichtig, weil sich die Möglichkeiten dahin zu gelangen, seither gewandelt haben. Als ich im Sommer 1998 beim Radio begonnen habe, war es vergleichsweise einfach. Man musste eine schöne oder zumindest angenehme Stimme, eine Berufsausbildung und ein klein wenig Glück haben.

Der Wurf ins kalte Wasser

Es war dieses kleine Fenster, das kurz offen war, als plötzlich jede Menge Radiosender on Air gingen. Praktikum war bei meiner ersten Station damals keines nötig. Man wurde einfach ins kalte Wasser geworfen. Die wochenlange Ausbildung nebenher war für alle gleich, egal ob Kommunikationswissenschaftlerin, Musiklehrer, Kellner oder Fotoredakteurin bei einem Nachrichtenmagazin. Ganz oben stand das Selbstfahren. Das wurde über Wochen regelmäßig geübt. Daneben standen etwa Moderationsausbildung, Beitragsgestaltung, Schnitttechnik sowie laufend Sprechtechnik-Stunden auf dem Plan. Nachdem man schon die ersten Moderationsstunden „mit Beiwagerl“, also einem Routinier an der Seite, absolviert und Meinungsumfragen (MU, seltener auch bekannt als Vox Pop) hatte, folgte ganz zuletzt die Königsklasse: die Nachrichten

Beispiele von Stellenausschreibungen für ein Volontariat bei einem Radiosender

Das ist nur ein Teil dessen, was man im täglichen Redaktionsbetrieb benötigt. Es ist jedoch auf jeden Fall ein Anfang für Interessierte. Das erwähnte Fenster ist lange geschlossen. Die Zeiten als einige wenige beim Privatradio gut verdienen konnten, sind ebenfalls vorbei. Wer auf eine Anstellung beim Radio abzielt, sollte entweder 1. finanzielle Reserven haben oder 2. einen Sponsor, wie etwa Verwandte oder 3. sich einen Zweitjob suchen. In Österreich ist es für Firmen vorgeschrieben, das angebotene Gehalt im Stelleninserat anzuführen. Wer also schon einmal eine solche Anzeige gesehen hat, weiß, dass man ähnlich entlohnt wird wie Kolleg:innen im Handel.

Wie sieht der Einstieg aus?

Wer sich auch jetzt noch nicht abschrecken lässt, sollte bei Interesse an einer Radiomitarbeit dennoch genau hinschauen. Heute erwarten Senderverantwortliche, dass man bei einer fixen Anstellung oder auch freien Mitarbeit bereits Radioerfahrung vorweisen kann. Wer diese erst noch sammeln möchte, hat die Möglichkeit

  • eines Praktikums oder
  • eines Volontariats

Klassisch war bisher, dass eine Praktikantin, die sich bewährt hat – gegen zumeist große Konkurrenz – als Volontärin übernommen wurde. Während Praktikant:innen 1-2 Monate bleiben und lediglich eine Aufwandsentschädigung (etwa 20-25€/Woche bei bis zu 40 Wochenstunden) erhalten, sind Volontär:innen fast vollwertige Mitarbeiter:innen in Ausbildung. Die Bezahlung aber variiert gewaltig bzw. ist mitunter gar nicht vorhanden. Denn einige Sender begrenzen die Mitarbeit statt auf ein Jahr auf einige Monate, mit weniger als 40 Wochenstunden. Zusätzlich stellen sie die Ausbildung heraus und bezahlen deshalb … genau gar nichts. Daher gilt es individuell zu entscheiden, ob man beim Lieblingssender womöglich unbezahlt reinschnuppern möchte oder einen Teil seines Lebensunterhalts davon bestreiten muss.

Wissen ist Vorsprung

Allein mit ein wenig Erfahrung aus Lehrveranstaltungen an der Uni oder aus Kursen auf der Fachhochschule wird es für einen Praktikumsplatz nicht getan sein. Beim Radio zu arbeiten erfordert Interesse an der Welt – an der großen, wie auch an der kleinen. Man sollte betreffend Nachrichten auf dem Laufenden sein, über ein breites Allgemeinwissen und perfekte Deutschkenntnisse verfügen sowie im Team arbeiten wollen. Einen Vorsprung gegenüber anderen Interessierten hat man auch mit Basiskenntnissen der Redaktionsarbeit. Wer bereits Audioschnitt (etwa mit Audacity) beherrscht, sicher ist beim Umgang in Aufnahme und Bearbeitung am Smartphone, Beiträge fürs Hören texten kann, erhöht seine oder ihre Aussichten auf eine Mitarbeit. Wie bei jeder Bewerbung heißt es zudem, die eigenen Stärken herauszustreichen. Das kann bedeuten, dass man im Kulturbereich allgemein oder auch in Sport, Politik oder Wirtschaft gut vernetzt ist, einen großen Social Media Account betreibt oder Schwerpunkte hat, wie ein umfangreiches Musik-, Politik- oder Fußballwissen.

Verantwortliche überraschen

Bewerber sollten das Unternehmen kennen, für das sie arbeiten wollen. Das gilt auch fürs Radio. Immer häufiger ist zu beobachten, dass Praktikant:innen „Radio machen“ wollen, also sich für die Moderation begeistern, privat jedoch Spotify statt Radio hören. Daher wäre ein persönlicher Tipp, Verantwortliche beim persönlichen Gespräch mit Wissen über den Sender zu überraschen. Man sollte Moderator:innen sowohl aus der Fläche als auch aus den Nachrichten benennen können, aber auch den aktuellen Claim und einzelne Musiktitel der Playlist. Letzteres rüstet einen für die Frage: Welcher ist dein Lieblingstitel auf Radio XY? Überraschen kann man auch damit, die (Sende)Uhr zu kennen und einzelne Sendungen ev. auch vom Wochenende positiv herauszustreichen. Sofern der letzte Radiotest erfolgreich war, darf man auch den erwähnen (alles andere wäre Salz in offene Wunden).

Wenn du jetzt immer noch nicht aufgeben möchtest und auch weiter am Traum beim Radio zu arbeiten festhältst, habe ich ganz zuletzt noch einen Tipp: Wer bereits eine Sprechtechnik-Ausbildung absolviert hat, erhöht seine Chancen auf eine Mitarbeit massiv. Denn eine Radioredaktion lebt auch davon, dass Ersatz bereit steht, um on Air einzuspringen. Zu Beginn ist das meist Wetter- und Verkehrsservice. Sofern du an einer Sprechausbildung interessiert bist, melde dich bei mir oder melde dich für den nächsten Online-Workshop an. Ich freue mich immer, den Nachwuchs zu unterstützen!

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