Verloren im Rabbit Hole oder der nie endende Kaninchenbau

Auch wenn der Titel anderes vermuten lassen könnte: Es geht im Folgenden nicht um »Alice im Wunderland« und auch nicht um ihren Schöpfer Lewis Caroll. Das Rabbit Hole oder Down the Rabbit Hole ist vielmehr eine eingeführte Wendung, wenn es darum geht, sich auf einer Website oder einer Online-Plattform zu verlieren. Man stürzt fast unmerklich – im übertragenen Sinne, aber doch wie die fiktive Alice – den Kaninchenbau hinunter und sieht erst Stunden später wieder Tageslicht. Ein Genie, wer dann noch weiß, wie er oder sie zum Ausgang gelangte!

Verloren im Rabbit Hole oder der nie endende Kaninchenbau
(Verfasserin & Sprecherin: Karin Fenz)

Gelenkt wird das Ganze auf vielen Plattformen, wie etwa YouTube, über einen Algorithmus. Man bekommt als User:in etwas vorgeschlagen, und je nachdem welche Abzweigung man jeweils nimmt, gelangt man zu mitunter unvorstellbaren Orten. Auf der Suche nach einem Musiktitel auf YouTube kann es vorkommen, dass man sich plötzlich bei Rezepten für Schokokuchen wiederfindet. Der Kaninchenbau verschluckt eine und spült eine immer weiter.

Auch wenn man weiß, wie man bei der Auswahl gelenkt wird: Folgt man erst einmal den ausgelegten Brotkrumen nach Interesse, lässt sich das Hinunterfallen schlicht nicht verhindern. Es gibt jedoch auch eine andere Perspektive dabei als jene der reinen Prokrastination. Ich möchte hier einige jener Seiten anführen, die mir Rabbit Holes sind – einfach, weil sie eine beim ständigen Weiterfallen lernen lassen.

österreichischemediathek

Hätte ich ein Ranking, stünde die Österreichische Mediathek vermutlich ganz oben auf der Liste. Das nationale Archiv für Tonaufnahmen und Videos aus Kultur- und Zeitgeschichte hält einfach genau das bereit, was es verspricht. Hinzu kommen Onlineausstellungen, wie jene über Frauen oder übers Radio, die eine allein schon mehrere Stunden – lesend und hörend – beschäftigen können. Gar nicht zu reden von Rubriken wie den monatlichen Archivist´s Choice oder dem täglichen Journale-Rückblick in die Nachrichten der 70er, 80er und 90er Jahre.

Datenbank-Infosystem

Mit einem Abschluss in Medien-, Kommunikations- und Theaterwissenschaften liegt es auf der Hand, dass man sich für alles rund um diese Themenbereiche auch später noch interessiert und auf dem Laufenden hält. Dann wäre da noch das Interesse an Frauen- und Geschlechterforschung, an Sport, an… Ich höre schon auf. Das geeignete Rabbit Hole hierfür ist das Datenbank-Infosystem; wie jenes der Österreichischen Nationalbibliothek. Ich empfehle, sich darauf langsam fortzubewegen. Sprich: Einen Themenbereich auswählen und sich dann Sprosse um Sprosse auf der Leiter weiterhangeln. Über das erwähnte Fachgebiet »Medien- und Kommunikationswissenschaften, Publizistik, Film- und Theaterwissenschaft« allein schon gelangt man zu ANNO, den Europäischen Filmarchiven, zur Filmothek des deutschen Bundesarchivs bei dem man sich beispielsweise alte Wochenschaufilme mit Erich Kästner ansehen kann oder zur ARD-Audiothek. Ein paar Stunden sind in diesem Kaninchenbau also schnell um.

Mediatheken des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Das Erste Deutsche Fernsehen, die ARD, hat aber bekanntlich nicht nur eine Audio-, sondern auch eine Mediathek, mit Bewegtbildern aus verschiedenen Rubriken. Besonders erwähnt seien hier jene, die nicht dem laufenden Fernsehprogramm und damit dem linearen Fernsehen entnommen, sondern mit Dauerausstellungen gleichzusetzen sind; wie etwa jene zur Geschichte. Ich kann versprechen: Ein wahres Rabbit Hole für vielseitig Interessierte! Das gleiche gilt im Übrigen auch für die History-Rubriken von ZDF und ORF. Auch sie seien Bildungshungrigen hier als Kaninchenbau, aus dem man nur schwer wieder herausfindet, empfohlen. Wenngleich sich der ORF mit korrekten Bezeichnungen schwer tut. Während etwa die ARD eine Rubrik ganz richtig als „die weibliche Perspektive“ bezeichnet, spricht der ORF in seiner Mediathek von „starken Frauen“. Dass es nicht um Schubladendenken, sondern um eine andere als die von Männern geprägte Sicht auf die Welt geht, scheint man dort noch nicht erkannt zu haben.

Internet Archive

Im gut gefüllten Internet Archive finden sich Filme, gleich welcher Art und welchen Genres, seit Beginn des Films. Bei dieser Empfehlung gibt es jedoch eine Einschränkung: Man sollte hier besser wissen, was man sucht, weil es keinerlei Qualitätseinordnungen gibt. (Gemeint ist ausschließlich die inhaltliche, nicht die technische Qualität der Filme.) Wenn man richtig aussortiert, ist es ein Schlaraffenland für Cineast:innen. Wenn man sich jedoch im Rabbit Hole verirrt, stößt man aufgrund der fehlenden Moderation bzw. Kuratierung schon einmal auf Filme, die aus guten Gründen in Österreich gesperrt sind.

Open Library

Innerhalb dieses Archivs wartet auf Leseratten die Open Library, die offene Bibliothek. Hier lassen sich Bücher lesen, ausleihen (ja, diesen Unterschied gibt es) oder im Falle, dass das gesuchte Buch nicht verfügbar ist, einfach über einen Link in einer Buchhandlung bestellen. Zum Stöbern ist sie – nach meiner Ansicht – sehr gut geeignet. Mit Blick auf die Autor:innen und das Urheberrecht wäre aus moralischer Sicht ein weniger breites Angebot wünschenswert.

Projekt Gutenberg

Wer ausschließlich auf deutschsprachige Literatur oder fremdsprachige Literatur in deutscher Übersetzung zurückgreifen möchte, ist beim Projekt Gutenberg gut aufgehoben. Auch wenn die Rubrik »Lesetips« (sic!) den Eindruck erweckt, es wären nur von Männern verfasste Bücher verfügbar – wer sich in den Kaninchenbau vorwagt, wird feststellen, dass hier auch Werke lange verstorbener Autorinnen zu finden sind, wie etwa von Bertha von Suttner oder Marie von Ebner-Eschenbach.

Wissenschaftliche Abschlussarbeiten

Zuletzt noch ein weniger bekanntes und genutztes Rabbit Hole, das vermutlich auch eher Wissenschaftler:innen anspricht: Die Subdomain der Uni Wien mit positiv beurteilten wissenschaftlichen Abschlussarbeiten der vergangenen Jahre – das ehemalige othes und nunmehrige u:theses.

Speziell zu aktuell aufpoppenden Themen finden sich hier immer wieder Arbeiten, die sich mit dieser jeweiligen Thematik bereits intensiv auseinandergesetzt haben. Oder man bewegt sich den Kaninchenbau entlang zu Themen wie Medien, Kommunikationswissenschaft, Theater, Frauen, Sport,…

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