Man könnte auch mal übers Radio berichten

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Inhalte aus Film und Fernsehen finden in der täglichen Berichterstattung ihren Platz. Wie aber steht es um das Thema Radio? Das Medium ist beinahe so alt wie der Film und mit fast 81 Jahren älter als das Fernsehen. Mehr als nackte Fakten zur Nutzung beim zweimal jährlich erscheinenden Radiotest oder aktuell zur DAB+-Umstellung finden sich aber kaum. Was im Vergleich zu anderen Medien doch einigermaßen überrascht.

Vor wenigen Tagen sind die Daten zur aktuellen Radio-Nutzung in der Schweiz erschienen. Darin zeigt sich erfreulicherweise, dass Radio sogar bei den Jungen einen hohen Stellenwert hat. Weshalb man sich um seine Zukunft wohl keine Sorgen machen muss. Auch der Blick nach oben – zumindest geographisch – zeigt, dass die Deutschen seit Jahren fast gleichbleibend täglich mehr als 240 Minuten Radio hören. In Österreich hingegen geht die Nutzung seit Jahren zurück.

Das wären nun die klassisch transportierten nackten Fakten. Dabei drängt sich aber die Frage auf: Weshalb liest man über Radio – und speziell Privatradio – vorrangig, wenn es um dessen Reichweite, Nutzungszahlen oder Möglichkeiten der Rezeption geht? Das sind Informationen, die in regelmäßigen Abständen an die Öffentlichkeit getragen werden. Allein im Hinblick auf den hohen Anteil, den Radio im Leben vieler Menschen hat: Weshalb findet sich niemand, der sich dessen Hintergrundberichterstattung widmet?

Einmal auf das Thema gestoßen, gilt es zu prüfen, ob die inhaltlich doch sehr schmale Auswahl bei der Berichterstattung nicht vielleicht auf die eigene Wahrnehmung zurückzuführen ist.

Tipps zum Sehen Top – Tipps zum Hören Flop

Gibt man den Begriff Radio in Suchmaschinen ein, findet sich reihum das gleiche Ergebnis: Als erstes wird einem die Möglichkeit geboten, online Radio zu hören, dahinter folgen Websites einzelner Privatradios. Das entspricht allerdings nicht der gewöhnlichen täglichen Berichterstattung. Hier wird der Hörer selbst bei der möglichen Auswahl seines für ihn interessanten Senders oder Radioprogramms im Vorfeld jeder Nutzung allein gelassen. Man bekommt Programmvorschläge fürs Fernsehen, unterstützend liegen Tageszeitungen wöchentlich TV-Programme bei. Der Platz auf dem Radio erwähnt wird, ist darin aber spärlich. Ganz zu schweigen von Hintergrundinformationen zu einzelnen Sendungen.

Die erste Anlaufstelle zum Thema dürfte für Medien affine in Österreich  wohl Etat sein, die Medienseite des Standard – ein kurzer Check auf der Website zu Radio zeigt enttäuschendes. Außer Radiotipps und Radio-Reichweiten sind keine Rubriken vorgesehen.

standard_etatUnter dem Menüpunkt Radio wird man bei Etat auch nicht überrascht. Vorrangig geht es um die künftige Rezeption von Radio – und damit um den Ende dieses Monats anstehenden Beginn der Umstellung von UKW auf DAB+.

Die Medienseite des Standard ist aber nicht die einzige Möglichkeit, Nachrichten zum Thema Radio zu finden. Also geht es weiter zu Horizont. Wie schon beim Standard ist auch hier die Verleihung des Österreichischen Radiopreises am 1. Juni eines der Hauptthemen. Eine Veranstaltung im Übrigen, der es nicht gerecht wird, dass sie aufgrund der offenbar fehlenden Berichterstattung über die Menschen hinter dem Radio während des Jahres zu einem kleinen Branchenfest verkommt.

Medianet und Radiowoche informieren auch eher die Branche, als dass sie ein breites Publikum ansprechen. Bei Tageszeitungen oder Wochenblättern online ist bei einem Blick hinter die Kulissen sogar gänzlich Fehlanzeige.

Bei all der zu beklagenden fehlenden Berichterstattung übers Radio findet sich dann allerdings doch ein Kuriosum, wenn denn doch einmal darüber berichtet wird. Und das betrifft den Talk-Bereich. Die D-A-CH-Region hat keine großartige Talk-Radio-Geschichte. Beherrschend sind hier die Musiksender. Der Wortanteil ist in den vergangenen Jahren bei einigen von ihnen sogar deutlich heruntergeschraubt worden. Daher ist es umso interessanter, dass in den wenigen Berichten übers Radio abseits von Zahlen und Neuerungen zur Rezeption nicht etwa Musik vorkommt, sondern Wortbeiträge und Interviews. Nicht zuletzt sprechen auch die wichtigsten Menschen für das Radio – die Hörer – vor allem darüber, was der Mann oder die Frau im Radio gesagt hat, nicht aber primär über einen bestimmten Titel, der gehört worden ist.

Österreichs Radiosender machen aus der Not eine Tugend

Im Hinblick auf die Berichterstattung ist der Status Quo für das Radio in Österreich also tatsächlich ein ärgerlicher. Allerdings – und das ist das Schöne: Die Sender haben längst gelernt, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie suchen sich ihre eigenen Kanäle, um über sich und ihre Inhalte direkt das Publikum zu erreichen und auf sich aufmerksam zu machen. Das könnte jetzt die Türe öffnen zum Thema: Braucht PR den Journalismus? – Denn, die Sender sind so klug, sich abseits von Off Air Veranstaltungen teils schon sehr professionell über Social Media direkt an die eigenen Hörer zu wenden. Sind sie dabei auch noch erfolgreich, schaffen sie es schließlich doch noch in die Berichterstattung der Mainstream Medien:

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Oder es gibt überraschend ein aktuelles Ereignis, an dem auch Printredakteure nicht vorbei kommen:

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Jetzt könnte man noch alle Hoffnungen in große Branchentreffen setzen, die dafür sorgen, neue Themen für die Berichterstattung vorzugeben. Die diesjährige re-publica in Berlin etwa hätte vergangene Woche die Möglichkeit dazu gehabt. Dort ging es zwar vorrangig um die Zukunft des Bewegtbildes. Radio stand aber auch auf der Agenda. Und welche Themen wurden dabei für die interessierten Teilnehmer in erster Linie behandelt? Richtig: Digitalisierung und künftige Rezeptionsmöglichkeiten.

Die Tech-Zukunft gibt Anlass zur Hoffnung

Neben dem Hinweis auf die zunehmende Popularität von Podcasts, der sich auch Radiosender nicht verschließen können, hat eines doch aufhorchen lassen: Die Apple-Watch könnte dem Radio neues Leben einhauchen. In der Session zum Thema „Lightning Talks – Digitales Radio, die deutsche Filmblogosphäre und das richtige Händchen für Filme über Netzkultur“ sagt Christian Bollert von detektor.fm in seinem Beitrag „Radios Second Coming – Digitales Audio erobert das Netz“, dass die Uhr am Handgelenk doch wohl eher fürs Hören geeignet sei.

Die ganze Session gibt es zum Nachhören und zum Nachsehen.

Vielleicht schlägt nach Hybridmedien, wie dem Smartphone oder dem Mobiltelefon nun also ausgerechnet ein Gadget wie die Apple Watch die Brücke dazu, dass sich die Berichterstattung endlich auch jenen widmet, die aus diesem heraus zu uns sprechen oder uns aus dem Hintergrund täglich mit neuen Informationen füttern. Ein Gedanke, der froh stimmt.

1 Kommentare

  1. Pingback: Coup de main mit Schönheitsfehlern | medienblog

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