Lesestoff in kleinen Dosen

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© RITTBERGER+KNAPP 2015

Seit langem schon trage ich mich mit dem Gedanken, in diesem Blog über Bücher zu schreiben, die mir am Herzen liegen, mich überraschen, mich begleiten oder mich vielleicht auch enttäuschen. Der Zufall wollte es, dass ich dieses Vorhaben nun ausgerechnet mit einem eher ungewöhnlichen Buch beginne.

Kürzlich wurde ich auf ein optisch ansprechendes Büchlein mit dem Titel „Yppies“ aufmerksam gemacht, das seit ein paar Tagen unter anderem in den Wiener Trafiken aufliegt und sich speziell an Frauen richtet.

Bei einem ersten Blick auf den Inhalt, dachte ich: „Ah, ja. Da agieren viele verschiedene Typen von Menschen mit Alltagsproblemen auf wenige Schauplätze verteilt. Das klingt wie die Fernsehserie ‚Mitten im Achten.'“ – Und die war bekanntlich vor einigen Jahren ein derartiger Rohrkrepierer, dass sie bereits nach wenigen Folgen abgesetzt worden ist. Aber wer will schon als Mensch mit Vorurteilen gelten? Daher nahm ich das Büchlein zur Hand, las es – und war sehr überrascht.

Ausgestattet mit dem Stempel „Original Wiener Schundroman“ ist der erste Teil einer in Wien im allgemeinen und am hippen Yppenplatz im 16. Bezirk, Ottakring, im besonderen angesiedelten Serie für mich alles andere als Schund. Man bemerkt schon nach wenigen Seiten, dass die Wiener Autorin Bibi Mahony einen wachen Blick für ihre Umwelt und deren Probleme hat, die noch dazu in einen sehr aktuellen Kontext angesiedelt sind, in dem etwa auch der laufende Wahlkampf in Wien berücksichtigt wird. Außerdem sind die Figuren schon ab ihrer ersten Einführung allesamt überaus liebevoll gezeichnet.

Wenn die aus Salzburg zugereiste Finanzbeamtin die Obdachlosen bei ihrer Freiwilligenarbeit in der Gruft als Gäste bezeichnet, zeigt das viel Wertschätzung für Menschen, mit denen es das Leben weniger gut gemeint hat, als mit ihr.

Wenn die junge und attraktive Casting-Redakteurin davon spricht, dass sie „lange genug einsam“ gewesen sei, spiegelt auch das einen gerne verdrängten Teil der Gesellschaft einer Großstadt wieder.

Beschrieben werden in „Yppies“ ganz reale Menschen, auf der Suche nach ihrem Platz im Leben, auf der Suche nach Liebe – und dabei beinahe untrennbar verbunden mit ihren Handys. Ganz gleich ob sie teils respektlos in Gesellschaft wiederholt nachsehen, ob sie eine Nachricht erhalten haben oder schlicht von dort anstelle von einer Uhr am Handgelenk die Zeit ablesen. Sie halten der Leserin damit vermutlich nicht zufällig einen Spiegel vor.

Ein Wiener Kabarettist hat sich einmal beklagt, dass die japanischen Restaurants die griechischen Lokale in Wien getötet hätten. Welche Produkte oder Dienstleistungen auch immer früher in den heutigen Tattoo-Studios verkauft wurden; es gibt hier mittlerweile derart viele, dass wohl auch sie die eine oder andere Branche verdrängt haben. Für jemanden, der in dieser Stadt lebt, liegt es daher wohl auf der Hand, in einem in Wien angesiedelten Plot eine Tatoo-Studio-Betreiberin mitspielen zu lassen. Überraschend daran ist eigentlich, dass es zuvor noch keinem Schriftsteller oder Drehbuchautor eingefallen ist, ein solches Studio zum zentralen Ort von Begegnungen zu machen.

Der Sinn des Labels „Original Schundroman“ erschließt sich mir weniger anhand des Inhalts, als vielmehr am Zeitaufwand bei der Rezeption der „Yppies“ – und das speziell für Öffi-Fahrerinnen: Denn die einzelnen Szenen lesen sich flott zwischen ein paar U-Bahn- oder Bus-Stationen. Die liebevolle Zeichnung endet auch nicht bei den schon erwähnten Protagonisten. Vielmehr sind die einzelnen Szenen in Anlehnung an den Untertitel: „Melange, Tatoo & Strudel“ optisch ansprechend durch abgebildete Kaffeetassen getrennt.

Die große Zahl an Figuren ermöglicht es der Leserin, sich mit dem einen oder der anderen zu identifizieren. – Oder man erkennt, wie es mir ergangen ist, sich oder Bekannte oder Freunde in gleich mehreren der handelnden Personen wieder. Ebenso passend wie originell ist zudem die Verwendung typischer Wiener Begriffe wie Fetzen oder Staubflankerl, die den Lokalkolorit zusätzlich unterstreichen.

Es klingt in Folge eins auch schon, als könnte da jemand mit einem einfachen Büchlein in Serie unterschwellig ein wenig an das sprichwörtliche goldene Wienerherz appellieren, das sich in der Realität aber bekanntlich vor allem durch jammern und sudern auszeichnet.

Nach der ersten Ausgabe freue ich mich jedenfalls schon auf die zweite und bin gespannt, ob Niveau und inhaltliche Entwicklung bei einer als Serie konzipierten Veröffentlichung gehalten werden können. Insgeheim habe ich für mich auch schon eine Lieblingsfigur auserkoren. Das ist ganz klar – Kater Einstein.

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