Guten Morgen, Du Schöne!

Bücherstapel

Lesen ist eine der entspannendsten Tätigkeiten. Man ruht, blendet alles um sich aus und widmet sich nur dem Text in seiner Hand oder auf dem Pult. Ein Buch zu lesen, ist, wie in eine andere Welt einzutauchen. Eine Welt, in der man selbst Beobachterin ist oder sich mit einer der Figuren identifiziert. Am Welttag des Buches soll es hier um ein ganz besonderes Buch gehen – um ein Kultbuch.

Ein Kultbuch ist laut Definition ein Buch, das die Befindlichkeiten einer Generation oder eines Teils der Gesellschaft trifft und dort besondere Verehrung genießt. Das trifft etwa auf Johann Wolfgang von Goethes »Die Leiden des jungen Werther« oder auf Hermann Hesses »Siddharta« zu, aber auch auf Aldous Huxleys »Schöne neue Welt«, George Orwells »1984« und natürlich auf »Per Anhalter durch die Galaxis« von Douglas Adams.

Die genannten Schriftsteller sind allesamt Männer. Tatsächlich haben über die Jahrhunderte aber auch immer wieder schreibende Frauen den Nerv der Zeit getroffen. Genau genommen haben sie den Nerv zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder aufs Neue getroffen. Da wäre etwa Jane Austen mit »Stolz und Vorurteil«, um nur eines ihrer Kultbücher zu nennen. In jeder Generation finden sich Austen-Liebhaber:innen. Das gilt auch für Harper Lees »Wer die Nachtigall stört« oder im deutschen Sprachraum für Maxie Wander.

Kultbuch des Feminismus

Vor vielen, vielen Jahren hat sie mir jemand mit »Leben wär´ eine prima Alternative« näher gebracht. Nach zwei Umzügen besitze ich dieses Buch leider nicht mehr. Genau zu Beginn des jüngsten Lockdowns zu Ostern machte ich mir jedoch selbst eine Freude und bestellte mir online in der Buchhandlung »Guten Morgen, Du Schöne«. Es ist das Buch, mit dem Maxie Wander unter Feministinnen in der DDR Kultstatus erreichte und fast zeitgleich auch die BRD eroberte. Die Erwartung an das Buch war entsprechend groß – und sie wurde nicht enttäuscht.

Guten Morgen, Du Schöne
Maxie Wander: Guten Morgen, Du Schöne

Wenn es um Lebensstandard oder Politik geht, fühlt man sich wie selbstverständlich zur Mitte der 1970er Jahre und damit zur Entstehung zurückversetzt. Dennoch klingen die Gesprächsprotokolle stellenweise zeitlos. Keine der Frauen ist langweilig oder inhaltsleer. Selbst bei den jungen Mädchen hatte es Maxie Wander geschafft, ihnen etwas zu entlocken, das Einblick in die damalige Lebenssituation gibt. Es ist faszinierend, wie viele der Frauen sich offenbar so gut aufgehoben fühlten, dass sie ihr Innerstes öffneten.

Sie erzählen von sich und beschreiben ihre Nächsten, wie etwa ihre Partner oder Eltern. Erika etwa, die von Robert erzählt und von ihrer Liebe zueinander, um dann von der Wendung zu berichten, bei der man zwischen den Zeilen das gebrochene Herz sprechen hört. Margot, die bereitwillig von Seitensprüngen auf dem Weg zu sich selbst berichtet oder davon, dass sie die Pille nicht nimmt, weil das einen nicht abzuschätzenden Eingriff in den Hormonhaushalt bedeutet. Am Ende noch die 92jährige Julia. Sie hatte zwei Weltkriege mitgemacht und ihren zweiten und letzten Mann 30 Jahre vor dem Gespräch mit Maxie Wander verloren. Dennoch spürt man beim Lesen ihre immer noch vorhandene Lebensfreude. Wenn sie von der enttäuschenden Sexualität in der ersten und der erfüllenden in der zweiten Ehe spricht, liest es sich unkonventionell. Es ist dieses Fehlen jeglicher Bigotterie, das sich durch dieses Buch zieht. Daneben erfährt die Leserin aber auch von weiblichen Vorbildern zu jener Zeit und von Bitterkeit und Trauer um verpasste Chancen.

Lust und Mut zu erzählen

Maxie Wander hatte über die Aufzeichnungen gesagt: »Ich halte jedes Leben für hinreichend interessant, um anderen mitgeteilt zu werden. Entscheidend war für mich, ob eine Frau die Lust oder den Mut hatte, über sich zu erzählen.« Es gab über die Jahrzehnte immer wieder Kopien von dieser schriftstellerischen Pionierarbeit Wanders. Dennoch: Fast ein halbes Jahrhundert später wäre es interessant, was und vor allem wie ehrlich Frauen heute bereit wären, über sich und von ihren Beziehungen zu ihren Nächsten derart offen zu erzählen.

Welche Meinung hast du zu Maxie Wander und diesem oder einem ihrer anderen Bücher? Schreib es mir doch in die Kommentare!

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