Ein Wien-Krimi für Ostern

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Dem Buch geht’s gut. Es wird wieder mehr gelesen. Laut der Zahlen des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels gab es 2020 ein Umsatzminus von nur rund 4,4 Prozent. Das ist beachtlich, wenn man berücksichtigt, dass es aufgrund des Lockdowns bzw. der Schließungen im Handel im Jahresvergleich weit weniger Öffnungstage gab als gewöhnlich. Mit der raschen Aufstellung beim Online-Handel sowie mit der Möglichkeit der Abholung im Geschäft, ist der Buchhandel im ersten Jahr der Pandemie den Leser:innen offenbar auf neue Art näher gekommen. Denn bisher gewohnte Veranstaltungen wie Messen und Lesungen mussten bekanntlich entfallen. Große Verlierer waren übrigens die Reiseführer, große Gewinnerin war die Belletristik.

Sieht man sich die Bestsellerlisten der Belletristik genauer an, fällt auf, dass hier seit langem vor allem Kriminalromane dominieren. Häufig sind es männliche Autoren, wie zuletzt namentlich Bernhard Aichner oder Marc Elsberg. Autorinnen scheinen in einem Genre, das auch heute noch von Agatha Christie dominiert wird – die bekanntlich auch den meistverkauften Krimi der Welt verfasst hat – lediglich am Rande vorzukommen oder schlicht unter ihrem Wert vermarktet zu werden.

Das gilt auch für eine Wiener Autorin, die ihren ersten Krimi schon vor einigen Jahren veröffentlichte, es aber bis heute auf keine Bestsellerliste geschafft hat. Aber der Reihe nach:

Begonnen hat es mit diesem Tweet. Der Frühling stand vor der Tür und dem Wetter war die damit verbundene Erwartungshaltung wie üblich gegen Mitte/Ende März völlig egal. Es musste noch einmal tief in die Temperaturkiste greifen. Also dorthin, wo es wirklich kalt ist. Das hat die Vorstellung genährt, dass zu Ostern, wo gewöhnlich skigefahren wird, aufgrund eines möglichen Lockdowns wieder mehr gelesen wird. Was also wäre besser, als den Osterhasen einen Roman bringen zu lassen – im besten Fall eben von einer Frau geschrieben?!

Ich wünschte mir auf diesem Weg Empfehlungen für die voraussichtlich letzten kalten Tage vor dem Sommer. Malle-Feeling kann man sich schließlich auch ins Haus holen, indem man die Heizung hochdreht oder sich zumindest Sangria schlürfend ein heißes Fußbad gönnt und dabei mit einem guten Buch entspannt. Statt mit FFP2-Maske auf der Strandliege relaxt man eben oben ohne (Maske) auf dem Sofa oder im Ohrensessel.

Nachdem ich das »Sonntagskind – Tod eines Täters« nun aber schon empfohlen hatte, dachte ich, es wäre an der Zeit, es endlich wieder einmal zu lesen. Gleich vorweg: Man sollte ein weiteres Buch vorrätig haben, denn es liest sich derart flüssig, dass man es in wenigen Stunden ausgelesen hat und dann vielleicht gerne weiterlesen würde.

Worum geht’s?

Es ist ein klassischer Whodunit. Zu Beginn wird der Direktor der Wiener Staatsoper tot im Haus am Ring aufgefunden. Rettungsfahrerin Kiki, die mit ihrem Team zum Schauplatz gerufen wird, versucht mit Hilfe einer befreundeten Ärztin, ihres sächsischen Nachbarn und des Erzeugers ihrer pubertierenden Tochter den Mörder zu finden.

Im Verlauf der Handlung gewinnt man die chaotische und anhängliche Protagonistin richtig lieb. Sie ist aufgrund ihrer Nachtdienste und ihres detektivischen Einsatzes am Tage dauermüde. Das hat zur Folge, dass sie die Probleme ihrer Tochter übersieht und sich in Gefahr begibt.

Gleichzeitig erfährt die Leserin allerdings auch näheres über das Opfer. Aufgrund von Missbrauch, Gewalt und Drogen ist die Liste der Verdächtigen am Ende auch nicht zu knapp. Beinahe jede und jeder im Umfeld des Toten hätte ein Motiv gehabt. In einem überraschenden Showdown löst Kiki am Ende den Fall und auch ihre privaten Probleme.

Was ist interessant?

Was gleich auffällt, ist der angenehme Schreibstil von Bibi Mahony. Sie hat gut gesetzte Cliffhanger, die die Leserin zum Weiterlesen anhalten. Man merkt, dass die Autorin mehr als einmal in dem Opernhaus war, das sie beschreibt, um nicht zu sagen, dass sie sich dort wirklich sehr gut auskennt. Wie nah die Beschreibungen realen derzeitigen oder früheren Mitarbeiter:innen des Hauses kommen, lässt sich für Außenstehende natürlich nur schwer beurteilen.

Grob gesprochen gibt es einen toten Mann und viele lebende Frauen. Wie den Frauen im Übrigen hier ohnehin die Bühne gehört. Neben der Protagonistin stehen eine langjährige Freundin, die ebenso wie sie selbst ihr Liebesleben nicht in den Griff bekommt, deren Freundin, die als Hauptverdächtige in Untersuchungshaft wandert sowie eine pubertierende Tochter, die sich gleichgültig und selbstsicher gibt, während sie gleichzeitig noch behütet werden möchte.

Das bedeutet nicht, dass die Männer unwichtig wären. Da ist zum einen der ignorante Erzeuger der Tochter, der sich an manchen Tagen auch ihr Vater nennt und sie an anderen verleugnet, während in der Not auf ihn Verlass ist. Dann gibt es den schmierigen und übergriffigen Rettungsarzt, den arroganten Ermittler, den koksenden Opernsänger, den alkoholabhängigen Interims-Direktor und schließlich den amüsanten und hilfreichen Ex-Stuntman als neuen Nachbarn.

Auffällig ist auch, wie divers die Figuren gewählt sind. Die Herkunft einiger Verdächtiger sowie der sächselnde Nachbar zeigen klar, dass Wien ein Schmelztiegel ist. Jener Schmelztiegel an verschiedenen Nationen, der er immer war – und entgegen aller Versuche von rechts auch immer bleiben wird!

Und dann gibt es noch Wien als Schauplatz. Da ist die Maroltingergasse in Ottakring, in der die Protagonistin lebt. Da ist das AKH am Alsergrund als ihre Arbeitsstätte. Und da ist nicht zuletzt der Bereich um die Oper in der City, der als Ort der Ermittlungen im Roman wohl am häufigsten beschrieben wird. Wenn man die Gegend kennt, die die Autorin etwa bei einer Verfolgungsjagd am Ring beschreibt, läuft im Kopf dazu ein kleiner Film ab. Wer die Gegend nicht kennt, kann ein paar Euro in eine Straßenkarte von Wien investieren und dem nachspüren. Denn »Karten und Globen« waren im Vorjahr unter all den Teilbereichen des Österreichischen Buchhandels die größten Verlierer.

Buchinfo:
Mahony, Bibi (2015): Sonntagskind – Tod eines Täters
Books on Demand
ISBN:9783738630619

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