Der aufhaltsame Abstieg von Österreichs Pressefreiheit

Mit Österreichs Pressefreiheit geht es weiter bergab. Im heute veröffentlichten Ranking, dem weltweiten Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF), reicht es nur noch zu Platz 31 unter 180 Staaten, nach dem ohnehin schon nicht sehr löblichen 17. Rang im Vorjahr. Was angesichts der Ereignisse des vergangenen Jahres erwartbar war, überrascht in dieser Dramatik manche aber doch. Vielfach wird der Begriff Katastrophe bemüht. Das auch von jenen, die an dieser zunehmenden Unterdrückung der freien Presse nicht ganz unbeteiligt waren. Denn von ungefähr oder plötzlich kommt dieser Absturz nicht. Lüften wir den Vorhang…

Jetzt ist schon wieder was passiert

Der legendäre Satz von Wolf Haas‘ Figur Simon Brenner »Jetzt ist schon wieder was passiert.« trifft es, wenn es um die Inseratenkorruption in Österreich geht. Seit Jahren versucht die Politik über Zeitungsinserate Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Über den Beginn dieser fragwürdigen – um nicht zu sagen demokratiezersetzenden – Methode hat Dossier bekanntlich schon in seiner ersten Print-Ausgabe zum 60. Geburtstag der Kronen Zeitung ausführlich berichtet.

Mittlerweile scheint es, als ob nicht nur die größte Tageszeitung des Landes derartigen Eingriffen gegenüber aufgeschlossen ist. Es gilt wohl ganz ähnlich im Ländle. Bereits im Vorjahr haben das Ö1-Medienmagazin »doublecheck« und die Tageszeitung Der Standard Verbindungen zwischen dem Medienhaus Russmedia, der ÖVP Vorarlberg und dem Vorarlberger Wirtschaftsbund aufgedeckt. Die Causa steht mittlerweile im Blickfeld der Behörden und beschäftigt auch den parlamentarischen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Dabei geht es etwa auch darum, dass für Inserate im kürzlich eingestellten Vorarlberger Wirtschaftsbund-Magazin Geld von Innungen und einzelnen Sparten der Wirtschaftskammer verwendet wurde, das auf diese Weise an die Landes-ÖVP floss. Welches Sittenbild dahintersteht, zeigte der Kommentar des Nationalratspräsidenten zur mutmaßlichen Steuerhinterziehung der Landes-ÖVP. Er verwehrte sich trotz eines bestehenden Gesetzes, das darin ein Delikt erkennt, gegen eine Kriminalisierung seiner Parteikollegen. Der gleiche Nationalratspräsident, der im Übrigen dereinst offen eingestand, dass es für jedes Inserat ein Gegengeschäft gäbe.

Falsch verstandene Medienförderung

Es muss aber eben nicht immer Bereicherung sein, wie es in diesem Fall den Anschein hat, wenn die Politik Inserate schaltet. Für Kritik sorgt seit Jahren, dass die öffentliche Hand Medien mit ausschließlich positiver anstelle kritischer Berichterstattung über Mächtige mit Steuergeldern zuschüttet. Das passiert indirekt über den Weg der Inserate und direkt mittels staatlicher Medienförderung. So hat der bekanntermaßen willfährige Boulevard, der gegenüber der Message-Control des größeren Regierungspartners auch schon einmal gerne in die Knie geht, höhere Zuwendungen von Steuerzahlenden erhalten als etwa Qualitätsmedien. So wurden Kronen Zeitung, Heute und Österreich etwa allein im Rahmen der Corona-Sonderförderung mit Millionenbeträgen unterstützt, während Digitalmedien vom Steuertopf ferngehalten wurden.

Gewalt bei Demonstrationen

Ein weiterer Grund für den unrühmlichen 31. Rang im aktuellen Pressefreiheitsindex ist die Gewalt gegen Pressevertreter:innen bei Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen. Wenn die körperliche Unversehrtheit einer ganzen Berufsgruppe im öffentlichen Raum nicht mehr sichergestellt werden kann und eine Journalistin ihrer Aufgabe der Berichterstattung, der Information einer breiten Öffentlichkeit, nur dann nachgehen kann, wenn sie von Sicherheitsleuten beschützt wird, ist das einer Demokratie unwürdig.

Informationsfreiheitsgesetz als Lösung

Einmal mehr problematisch ist die Intransparenz der Mächtigen und damit das Fehlen eines Informationsfreiheitsgesetzes. Österreich ist bekanntlich die einzige Demokratie innerhalb der EU, der es an einem solchen Gesetz fehlt. Diese Rückständigkeit könnte behoben werden. Einfach, indem ein solches Gesetz verabschiedet wird und damit ermöglicht, dass Medien ihrer Kontrollfunktion nachkommen können. Das fordern heute neben vielen anderen Organisationen auch die Initiatoren des in dieser Woche zur Eintragung vorliegenden Anti-Korruptionsvolksbegehrens. Dagegen sperrt sich aber vor allem jene Partei, die sich immer wieder Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sieht. Kurioserweise ist das auch jene, die ihren Wunsch nach der Einführung des von den Verfassungsrichter:innen gekippten Staatstrojaners damit argumentierte, dass sich niemand fürchten müsse, der nichts zu verbergen habe.

Ein weiterer Ansatz, die Pressefreiheit im Land wieder zu stärken, bestände in einer sinnvollen Medienförderung. Versprochen wird sie schon lange. Wer erinnert sich etwa in diesem Zusammenhang nicht gerne an die zweitägige Medien-Enquete 2018 des damaligen Medienministers, dessen Bericht an den Ministerrat mit unzähligen nichtssagenden Buzzwords versehen war? Einzig, Ergebnisse gibt es bislang keine. Stattdessen wird das Versprechen, die Medienpolitik jetzt aber wirklich zu ändern, an Tagen wie heute erneuert. Hier wären auch die Betroffenen selbst gefragt, nicht locker zu lassen und ihre Forderung nach einer zeitgemäßen Förderung, die Qualität wie auch ausschließlich digitale Auftritte berücksichtigt, stetig zu wiederholen.

report, not repeat

Ohnehin bräuchte es mehr als eine derzeit nur sehr klein erscheinende Gruppe an Medienschaffenden, um die Pressefreiheit hochzuhalten und zu fördern. Aus Steuergeldern unterstützte Privat-TV-Sender etwa, die ihr Programm mit Verschwörungserzählungen füllen, sollten ebenso stark hinterfragt werden wie eine falsch verstandene journalistische Sachlichkeit. Gemeint ist damit, einer auf Fakten basierenden Information offensichtlich falsche Inhalte, die ausschließlich Meinungen wiedergeben, gegenüberzustellen und sie gegenüber einem unkundigen Publikum unwidersprochen zu lassen.

Unterstützung werbefreier Medien

Daneben gilt es aber auch jene Medienbetriebe zu unterstützen, die auf jegliche Einflussnahme von außen verzichten und sich ausschließlich aus Spenden von Mitgliedern bzw. ihres Publikums finanzieren. In Österreich ist es das bereits erwähnte Dossier, in Deutschland die Krautreporter, in der Schweiz Republik und in den Niederlanden De Correspondent, die Urversion dieses Modells. Die Genannten sind im Übrigen allesamt in Ländern* beheimatet, die im aktuellen Pressefreiheitsindex abgerutscht sind. Auch das würde sich wohl für eine nähere Untersuchung empfehlen.

*Österreich (2022: 31 | 2021: 17) | Deutschland (2022: 16 | 2021: 13) | Schweiz (2022: 14 | 2021: 10) | Niederlande (2022: 28 | 2021: 6)

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